Das aufgeklappte Allte Testament deutsch

Zwischen Souvenir und Reliquie: ein Luther-Autograph

Der fromme Protestant Hans Ulrich Krafft (1550–1621), Ulmer Kaufmannssohn und Patrizier, gestaltete seine Familienbibel, eine seltene und mit einem gediegenen Einband ausgestattete Erstausgabe von Luthers deutscher Übersetzung des Alten Testaments, zu einer Art privatem ‚Reformationsmuseum‘ en miniature. Dazu klebte er etwa mit Friedrich dem Weisen und Philipp Melanchthon zwei der berühmten Porträt-Kupferstiche Dürers ein. Als besondere Kostbarkeit sind die vier Autographen anzusehen, von denen jeweils zwei im Vorder- und Rückdeckel aufgebracht und von Kraffts handschriftlichen Angaben zu den Erwerbungsumständen begleitet werden. Während sich hinten Schriftproben Albrecht Dürers (1471–1528) und Lukas Cranachs d. J. (1515–1586) finden, prangen im Vorderdeckel ein Autograph von Philipp Melanchthon (1497–1560) und – natürlich an erster Stelle – jenes Martin Luthers. Es bleibt ein Charakteristikum dieser 'Reliquie', dass sie trotz ihrer quasi-liturgischen Verbindung mit einer Bibel von einer klassischen Berührungsreliquie wie etwa einem Gewandstück Christi oder eines Heiligen klar unterscheidet: Denn es handelt sich eben um eine Schriftprobe, die weniger auf eine Heiligung ihres Urhebers als vielmehr auf die besondere Charakteristik Luthers als Mann des göttlichen Wortes abzielt.