Der ‚schablonierte‘ Luther

Lochpause nach einem Luther-Porträt Lucas Cranachs d. Ä. von 1528

Lucas Cranach d. Ä. (um 1472–1553), seine Söhne und seine Mitarbeiter haben im Laufe von Luthers Karriere jeweils ,passende‘ Porträts des Reformators für dessen unterschiedliche Karrierephasen geschaffen und in zahlreichen Kopien verbreitet. Diese reichen von den frühen Reproduktionsgraphiken als ‚heiliger‘ Mönch, Gelehrter oder verkleideter Adliger („Junker Jörg“) über die gemalten Ehebildnisse, die Freundschafts- und Reformatorenporträts bis hin zu seinem Totenbildnis. Dies hat zwangsläufig die Frage nach den technischen Produktionsprozessen innerhalb der Cranach-Werkstatt aufkommen lassen, also danach, wie eine solche Vielzahl nahezu gleichförmiger, mit dem Schlangensignet bezeichneter Gemälderepliken und ‑kopien erstellt werden konnte und welchen Anteil Meister und Mitarbeiter daran hatten. Die Antwort scheinen die Bildnisse selbst zu geben, deren formale Strukturen wie Umrisshaftigkeit und klare Figur-Grund-Unterscheidung sowie der Gegensatz zwischen detailliert und flächig ausgeführten Partien auf Serienproduktion, rationalisierte Arbeitsprozesse und den Einsatz technischer Hilfsmittel wie Schablonen oder Lochpausen hindeuten (Kirsch 2004, S. 252–261). Gleichzeitig sind dies aber auch formale Charakteristika, die vermittels vereinfachter Lesbarkeit und Wiedererkennbarkeit der ‚Image‘-Bildung des Reformators dienen konnten (Warnke 1984) und sogar auf wesentlich spätere ‚Glamourporträts‘ à la Warhol vorausweisen mögen (Brunner 2006). Technische Reproduzierbarkeit des Bildes und ‚Image‘-Bildung bedingen sich folglich bereits in einem sehr frühen Stadium.

Zu den Lutherporträts aus der Cranach-Werkstatt haben sich Lochpausen im Berliner Kupferstichkabinett und die hier ausgestellte aus der Graphischen Sammlung Weimar erhalten. Solche Hilfsmittel konnten mittels Abklatschzeichnungen von einer Vorlage abgenommen und durch Perforierung mit einer Nadel zur Übertragung derselben auf einen weiteren Bildträger genutzt werden. Die Weimarer Lochpause entspricht in Typus und Format der Serie von Cranachs Ehebildnissen von 1528 (Friedländer/Rosenberg 1979, S. 131, Kat. Nr. 312), allerdings ist sie aufgrund des Wasserzeichens erst nach 1670/80 entstanden und stammt somit nicht aus dem direkten Umfeld des Wittenberger Meisters. Vielmehr deutet dieser Umstand darauf hin, dass noch mehrere Jahrzehnte nach dem Ende der Cranach-Werkstatt Lutherporträts unter Verwendung technischer Reproduktionsverfahren nach deren Vorlagen kopiert wurden, um eine weiterbestehende Nachfrage nach ‚authentischen‘ Bildnissen des Reformators zu stillen.

Michael Wenzel

Literatur:

Brunner 2006; Friedländer/Rosenberg 1979; Kirsch 2004; Warnke 1984.